28 Mai Jean-Luc DAVAL – Philippe Grosclaude, 1986
Jean-Luc Daval
Philippe Grosclaude
Seit ungefähr zwanzig Jahren beschreitet Philippe Grosclaude einsam einen mit Schlingen übersäten Weg, den einer Malerei, die weder auf ihre figurativen Möglichkeiten noch auf ihre expressive Kraft verzichten möchte, indem er paradoxerweise Intimismus und Expressionismus vermischt. Grsoclaude spricht vom Menschen, seiner Einsamkeit, seinen Ängsten und seinen Kommunikationsschwierigkeiten ; er tut es, indem er die Tiefe des Bewußtseins den Bedingungen der zu beschlagnahmenden Flämit nervösen, gespannten, ständig überlasteten Strichen entgegenstellt, Ebenen mit Rissen, Oberflächen mit Reliefs, symbolische Zeichen mit der Aussagekraft von Schrift konfrontiert. Grosclaude hat lange um sein Ausdrucksmittel gerungen, indem er mit den MögliChkeiten der Ölmalerei experimentierte, dann Acrylmalerei versucht ; aber das ihm gemäße Mittel fand er, als er zur Zeichnung – Kreide, Kohle, Pastell – zurückkam.
Auf einer immer monumentaler werdenden glatten Fläche kann er Linien ziehen, die endlich Ebenen bilden, die die Handschrift seiner hartnäckigen Arbeit tragen und die gleichermaßen undurchsichtig oder transparent erscheinen. Blau, Orange, Schwarz und Weiß, dicht oder durchlässig aufgetragen, bilden einen unendlichen Raum, in dem sich die Formen natürlich ergeben, wenn sie sich der pulsartigen Dynamik der Geste unterchewerfen.
Nur die Freunde, die häufig sein Atelier aufsuchen, können die Hartnäckigkeit wahrnehmen, die Grosclaude aufwendet, um seine Bilder « in Arbeit » einen unverhältnismäßig großen Haufen Staub entdecken, der zu der Lebendigkeit des graphischen Zeichens, von dem die Zeichnungen noch zeugen, nicht zu passen scheint. Grosclaude wußte auf wunderbare Weise Zeichnung und Malerei in dieser originellen Arbeitsmethode zu vereinen. Grosclaude ist besessen vom Bild des Kopfes; im Raum angeordnet, enthüllt er sein Leiden ebenso wie das Denken, das strahlend den Raum erhellt. Den Ausdruck für das Wesentliche findet er in der Klarheit seiner bildnerischen Befangenheiten, die direkt die Transparenz seiner inneren Welt widerspiegeln. Diese erreichte er nicht durch Vereinfachung oder Vergessen, sondern durch – oft bittere – menschliche Erfahrung, die er mit Klarheit und Aufrichtigkeit durchlebte. In lange erarbeiteten Abstufungen und Farben sendet er sein geheimes Licht aus. Seine Oberflächen, die als flach zu definieren sind, schaffen durch ihre Kontraste einen tiefen Raum. Ob geometrisch oder symbolisch, sollten seine Bilder in einer Wirklichkeit angesiedelt werden, wo die Farben des Wortes in jene des Bewußtsein übergehen.
Jean-Luc Daval, Philippe Grosclaude, in 40 Schweizer Künstler, in Kunstszene Schweiz, das Kunstwerke, Zeitschrift fur Moderne Kunst, RFA, 4-5 XXXIX, septembre 1986