Françoise JAUNIN – Philippe Grosclaude – Die wunderbare Beharrlichkeit, 1993

Françoise JAUNIN

Philippe Grosclaude – Die wunderbare Behattlichkeit

Der Künstler   Philippe Grosclaude wurde 1942 in Genf geboren, wo er von 1958 bis 1963 die Ecole des Beaux-Arts besuchte und heute noch, sesshaft aus Überzeugung und ganz auf seine Arbeit konzentriert, lebt. Seine Arbeiten wurden dreimal durch eidgenëssische Stipendien (1965, 1968 und 1981) ausgezeichnet und gefördert, 1977 erkannte ihm die Stadt Genf den Boris-Oumanski-Preis zu. Ab 1964 zeigt er seine Arbeiten in persönlichen Ausstellungen in der Walsch-und Deutschschweiz sowie in Frankreich; in Europa zirkulierten sie in Gruppen-Austellungen.
Der Künstler ist, was den Rhythmus seiner Austellungen und die Wahl seiner Galerien angeht, ebenso unbestechlich und anspruchsvoll, wie in den Anforderungen an sich selbst. […]

Technik   Ist Philippe Grosclaude nun eigentlich Maler oder Zeichner? Die Unterscheidung scheint überflüssig. Seit 15 Jahren hat er zwar Pinsel und Acrylfarben gegen Pastellstifte eingetauscht, die Kreide wird in seinen Händen jedoch zum Werkzeug des Malers.
Er benutzt sie meisterhaft ais subtiler Kolorist fast gegen ihre ursprüngliche Bestimmung, zwingt sie auf die Leinwand in ein dichtes, geduldig gesponnenes Gewebe, s!attigt die Farbe zu einem stumpfen Glühen. Für den Künstler «gewinnt eine Sache an Kraft, je mehr sie gebändigt wurde».

Werk   lm Zentrum des Werks steht der Mensch. «Das einzige, was wirklich zählt», sagt Philippe Grosclaude, «ist am menschlichen Erfahren teilzuhaben».
Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre drückt er dies noch auf sehr demonstrative Weise aus, indem er auf seinen Bildern den Zusammenprall des Organischen mit der Geometrie inszeniert. Danach werden seine Mittel immer bildhafter. Die Titel verschwinden, die bohrende Besessenheit findet ihre gleichzeitig superbe und schmerzhafte Sprache; Form und Aussage erreichen die vollkommene Verschmelzung, die sie voneinander untrennbar macht. Das Gesicht ist allgegenwärtig. Ein emblematisches Gesicht, ein christushafter, zykladischer Kopf ist in einer Ecke des Bildes gleichsam postiert. Darum herum überwuchern expandierende Formen, mächtige Spannungs- und Kraftfelder, die von gegensätzlichen Energien durchquert werden, den Raum bis zum letzten Zentimeter.
Die Bilder von Philippe Grosclaude fürchten die Leere. Nichts ist zufällig, alles bedeutsam.

Situation seines Werks   Die Arbeit von Philippe Grosclaude ist die aines fanatischen Einzelgangers.[…] Obwohl ein Einzelgänger, nimmt bei diesem Künstler die Freundschaft einen hohen Stellenwert ein. Er vergräbt sich in seinem Atelier, bleibt aber trotzdem für die Aussenwelt offen. Er ist (durch die zeitraubende Technik, die er sich geschaffen hat) vollständig von der Zeit, von der Welt hinter der Türe seines Ateliers losgelöst und steht gleichzeitig mitten im Leben. Er arbeitet unabhängig von aktuellen Moden und Strömungen, lässt sich, was Schule, Stil oder Technik betrifft, in keine Kategorie einordnen und hat dennoch am Zeitgeist teil.

Françoise Jaunin 1993